Stellungnahme des Familienbundes zu
Stellenwert und Entwicklungsmöglichkeiten von Familienbildung

Magdeburg, November 2004





Kompetenzen für die „soziale Mitte“ fördern – Familienbund fordert Stärkung von Familienbildung


Familienalltag wandelt sich

Leben in Familie wandelt sich. Erziehung ist für viele Eltern eine komplexe und herausfordernde Aufgabe. Sie wollen ihre Kinder stark machen für unsere plurale, technisierte, mobile und schnelllebige Gesellschaft. Dabei stehen Eltern vor vielfältigen Herausforderungen: die Individualisierung, die auch als gesellschaftliche Entsolidarisierung erlebt wird; der Druck, das Kind optimal zu fördern; sowie eine Mobilität, die gerade das Leben in und als Familie erschwert und vielfach in weiten Gebieten Ostdeutschlands berufsbedingt zu einer neuen vaterlosen Gesellschaft führt.

Die Aufgabe von Familienbildung

Die Herausforderungen für Eltern und Familien sind heute hoch. Familienbildung sieht deshalb ihren Grundauftrag darin, Menschen bei der Gestaltung familiären Lebens in allen Bezügen zu unterstützen. Familienbildung richtet sich dabei sowohl an die einzelnen Familienmitglieder als auch an die Familie als System. Vorhandene Kompetenzen sind dabei zu erkennen und zu stärken. Angebote der Familienbildung müssen sich deshalb durch einen systemischen, ganzheitlichen und personal bezogenen Ansatz ausweisen. In dieser Sicht geht es neben dem Wissenserwerb, um die Ausbildung von Handlungskompetenzen und um die Stärkung und Entwicklung einer entsprechenden Rolle als Vater/Mutter oder PartnerIn, als Großeltern, in der Beziehung zueinander und in die Gesellschaft hinein. Angebote der Familienbildung helfen auf diese Weise bei der Wertevermittlung in unserer Gesellschaft. Sie können Wurzeln für ein gutes Zusammenleben stärken und Maßstäbe
für persönliche Werthaltungen schärfen.           [nach oben]

Familienbildung stärkt die „soziale Mitte“ unserer Gesellschaft

Familienbildung hat ebenso den grundlegenden Wert von Familie sowohl bei den Familien selbst als auch bei den unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Gruppen zu vertreten und zu verdeutlichen. Familien sind wieder stärker als „soziale Mitte unserer Gesellschaft“ (Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie) zu begreifen. Es ist daher falsch, Familienbildung allein auf sozial schwache Familien zu konzentrieren. In der rechtlichen Grundlegung von Familienbildung, § 16 SGB VIII, ist keinerlei Vorbedingung daran geknüpft, Adressat von Familienbildung zu sein. Die Familie ist offensichtlich allgemein in ihrer Funktion als Erziehungsinstanz zu stärken. Familienbildung ist geprägt durch den Grundsatz: „Prävention vor Intervention“. Um diese Aufgabe zukünftig besser zu erfüllen, müssen Familienbildungsangebote verstärkt an Schnittstellen zu Einrichtungen verankert werden, in denen Eltern zu erreichen sind. Dies gilt in besonderer Weise für Kindertagesstätten und Schulen.

Familienbildung ist institutionell zu stärken

In unserem Land sind Familienbildungsstätten, Familienferienstätten sowie lokale und mobile Familienbildung Orte der Bildung, der Ermutigung, des Erfahrungsaustausches sowie der Hilfe und gegenseitigen Entlastung von Eltern. Sie erhöhen als „weiche Standortfaktoren“ gerade für junge Familien die Attraktivität des Lebensstandortes Sachsen-Anhalt, indem sie jungen Menschen das Gefühl von Zugehörigkeit und Beheimatung geben und dadurch unserer Gesellschaft Zukunft eröffnen. Auf diese Weise leisten sie auch einen Beitrag zu einer lebendigen Bürgergesellschaft in Sachsen-Anhalt. Die unzureichende gesellschaftliche Anerkennung und finanzielle Ausstattung von Familienbildung ist angesichts der geäußerten politischen Willenskundgebungen aus fast allen politischen Lagern in Sachsen-Anhalt zu verändern und entsprechend ihrer Bedeutung aufzuwerten. Angesichts eines angekündigten Familiengesetzes in Sachsen-Anhalt wird der Familienbund gerade aus dieser Perspektive kritisch und wachsam bleiben und gegebenenfalls weiterhin eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung
von Familienbildung einfordern.                        [nach oben]

Forderungskatalog

Wir fordern von der Landesregierung:
  • eine stärkere öffentlichkeitswirksame Anerkennung der Arbeit von Einrichtungen der Familienbildung;
  • eine verbesserte Landesförderung angesichts der sehr prekären finanziellen Ausstattung der bestehenden Familienbildungs- und Familienferienstätten;
  • eine Landesförderung für weitere Familienzentren mit dem Ziel einer flächendeckenden Versorgung des Landes;
  • die Festschreibung von Familienbildung als eigenständiger Verwendungszweck bei der Vergabe von Lotto-Toto-Zweckerträgen.
Wir fordern von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe:
  • eine stärkere Einbindung der Familienbildung in die Jugendhilfeplanung der Landkreise und Kommunen.
  • Der Vorstand.
Wir erwarten von unserer Kirche:
  • Familien neu und verstärkt in den Blick kirchlicher Praxis zu nehmen;
  • Projekte und Maßnahmen der Familienbildung als wichtiges Mittel kirchlichen Handelns anzusehen, um allen Menschen die Menschenfreundlichkeit Gottes nahe zu bringen.
Wir erwarten von den Familienbildungs- und Familienferienstätten:
  • eine bessere und strukturierte Vernetzung ihrer Arbeit;
  • eine engere Zusammenarbeit mit Einrichtung wie Kindertagesstätten und Schulen;
  • eine weitere Schärfung des Familienbildungsbegriffs im Sinne systemischer, personaler und ganzheitlicher Bildung.

Unsere Gesellschaft braucht Familien für ein gutes Zusammenleben jetzt und zukünftig. Familien brauchen für diese Aufgaben aber Unterstützung und eine tatkräftige Lobby. Der Familienbund im Bistum Magdeburg und im Land Sachsen-Anhalt sieht sich deshalb als Anwalt der Interessen von Familien gefordert, auf die hohe Bedeutung von Familienbildung hinzuweisen.

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